HAM: „Am nächsten Laternenpfahl aufhängen“

Posted on 2. Oktober 2011 von


HAMM – Exakt 287 Neonazis, so hat die Polizei gezählt, nahmen am Samstag an einem Aufmarsch der Szene in Hamm teil. Dies waren zwar rund 50 mehr als im vorigen Jahr bei einer Demo an selber Stelle, aber doch ein paar weniger als von den Veranstaltern erhofft. 301 Teilnehmer habe man gezählt, beteuerten sie. So gerne hätten sie die 300er-Marke überschritten. Doch immerhin: Die knapp 300 erlebten einen Nachmittag lang live auf der Straße ein NS-Revival pur.

Den Ton gibt Matthias Drewer von der örtlichen „Nationalen und Sozialistischen Kameradschaft Hamm“ vor. Er baut in seine Rede bei der Auftaktkundgebung am Bahnhof in Hamm-Heessen das für ihn beinahe schon obligatorische Zitat Hitlers ein, des nach seinen Worten „größten Staatsmannes aller Zeiten“. „Der kostbarste Besitz auf dieser Welt aber ist das eigene Volk“, brüllt Hitler-Imitator Drewer also ins Mikrofon, „und für dieses Volk, und um dieses Volk, wollen wir ringen und wollen wir kämpfen – und niemals erlahmen und niemals ermüden und niemals verzagen und niemals verzweifeln.“

NS-Revival

Derart mental gestärkt, ziehen die Neonazis durch die Straßen des Hammer Stadtteils. „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!“, schreien sie und: „Nationaler Sozialismus jetzt!“. „Alles für Volk, Rasse und Nation!“, grölen sie und: „Hamm erwache!“ Die Forderung nach dem „Straßenkampf“ darf nicht fehlen.

Unterwegs heizt Axel Reitz bei einer Zwischenkundgebung seinem Publikum ein. Die Zukunft werde braun sein, ruft er seinen Zuhörern zu und schiebt erläuternd nach: „Nicht braun im Sinne der Hautfarbe, sondern braun im Sinne der Gesinnung.“ Aus Berlin, der „Reichshauptstadt“, wie es der Schriftzug auf seiner abgewetzten Lederweste ausweist und wie auch Veranstaltungsleiter Sascha Krolzig betont, ist der Alt-Neonazi Arnulf Priem* gekommen, um erstmals seit vielen Jahren wieder bei einem Aufmarsch in Nordrhein-Westfalen zu sprechen. Doch nach noch nicht einmal drei Minuten hat er sein rhetorisches Pulver bereits verschossen. Selbst für Neonazi-Ohren dürfte eher verwirrt-verworren geklungen haben, was der mittlerweile 61 Jahre alte „Neonazi-Rocker“ vor sich hin berlinert. Sogar die Dortmunder Neonazis, die „live“ per Twitter aus Hamm berichten, verschweigen auf ihren „Demo-Ticker“ – womöglich schamhaft – seinen Auftritt.

Immer eine Spur radikaler

Aber da ist noch der Hamburger Neonazi Thomas Wulff. Gleich zweimal – bei einer der Zwischenkundgebungen und zum Abschluss der Veranstaltung – darf er ans Mikrofon. Unterwegs läuft er neben dem Lautsprecherfahrzeug her und versucht, Parolen vorzugeben. Letzteres zumindest funktioniert nur teilweise. Die Teilnehmer aus den Reihen der „Autonomen Nationalisten“ wollen es immer eine Spur radikaler als Wulff. Wo der langatmig von der „Nationalen Opposition“ schwadroniert und darüber, was diese fordert, verlangen die Rechts-„Autonomen“ kurz und knapp: „Nationaler Sozialismus jetzt!“ Und wenn Wulff zu erklären ansetzt, wie man mit „kriminellen Ausländern“ verfahren sollte, bevorzugen die Rechts-„Autonomen“ die Kurzfassung: „Ausländer raus!“

Für Stimmung im braunen Fußvolk sorgt vor allem Manfred Breidbach. Neonazis, die den Düsseldorfer NPD-Funktionär als Redner einladen, können zuverlässig davon ausgehen, dass er diesseits und jenseits der Grenzen des Erlaubten rhetorisch alles gibt, ob es um blanken Rassismus**, Antisemitismus*** oder um seine Vision brennender Moscheen**** geht. Auf einem Parkplatz neben der Amtsstraße hat er bei einer Zwischenkundgebung fast von allem etwas parat und erntet damit den meisten Beifall. Er trifft den Ton, den die Neonazis wünschen. Gleich eingangs seiner Rede zitiert er „Deutschlands größten Sohn“, und sogar der unbedarfteste seiner Zuhörer versteht, dass auch er – ebenso wie anfangs Drewer – selbstredend den „Führer“ meint.

„Blutmischung“

Vor der „Blutmischung mit fremden Menschenarten“ warnt Breidbach wie sein historisches Vorbild. Und er warnt vor den „oberen Zehntausend“, den Befürwortern jener „Blutmischung“. Das sind, so macht er klar, „die Führer aus Wirtschaft und Politik, hohe Würdenträger des Staates, Gewerkschaftsbonzen, Manager, Kirchenführer, Redakteure, Medienkartelle und so weiter“. Deren Denken sei „verseucht vom Gedankengut einer über den ganzen Erdball agierenden Ethnie, deren Namen öffentlich zu nennen bei Strafe verboten ist“. Sie seien „Parasiten auf höchstem Niveau“. In naher Zukunft gebe es, meint der NPDler, „nur eine einzige Möglichkeit, wie mit diesen Leuten zu verfahren ist, nämlich sie am nächsten Laternenpfahl aufzuhängen mit einem Schild um den Hals, auf dem geschrieben steht: ,Ich habe Verrat an meinem Volk begangen!’“

„Hagelklein schlagen“

Breidbachs Publikum ist bei so viel Klartext begeistert. Zumal er neben den „oberen zehntausend“ weitere Mitschuldige an der deutschen Misere ausgemacht hat: eine Gruppe, „die hauptsächlich durch ihr Nichtstun die Verantwortung trägt für die fortschreitende Überfremdung unseres Volkes, und das ist der spießbürgerliche Mittelstand. Lehrer und Beamte, Pfaffen, Journalisten, kurzum devote Diener dieses Staates mit Schlips und Kragen, denen nichts heiliger ist als die Unversehrtheit ihres erbärmlichen Spießbürgerdaseins“. „Gutmenschen“ nennt er sie und erklärt: „Gutmenschentum ist geistiges Untermenschentum.“ Wie man wiederum mit ihnen verfahren sollte? „Ich denke, wenn wir die Millionen Gefallenen der Weltkriege fragen könnten, all die tapferen Männer unseres Volkes, dann wäre die Antwort eindeutig. Sie hätten sicherlich kein Problem damit, wenn wir uns jeder einen Knüppel schnappen und diese ganze gutmenschliche Multikulti-Idiotie kurz und hagelklein schlagen.“

„Juden und Kanacken“

„Deutschland muss leben – und wenn wir alle draufgehen!“, schreit Breidbach ins Mikrofon und beendet seine Rede. Die „Kameraden“ sind innerlich gestärkt und ziehen zurück zum Bahnhof Hamm-Heessen. Von dort geht es mit den Zügen wieder heim. Auf den letzten Metern vor dem Bahnhof stimmen einige der Neonazis einen neuen Spruch an: „Juden und Kanacken – ins Arbeitslager packen“. (ts)

* https://nrwrex.wordpress.com/2011/06/06/ham-neonazi-%e2%80%9eoriginal%e2%80%9c-aus-der-reichshauptstadt/

** https://nrwrex.wordpress.com/2010/10/30/me-rund-150-neonazis-demonstrieren-in-neviges-%e2%80%93-npd-redner-will-%e2%80%9ebis-aufs-blut-gegen-die-uberfremdung-kampfen%e2%80%9c/

*** https://nrwrex.wordpress.com/2011/08/31/ham-noch-mehr-neonazi-redner-bei-demo/

**** http://www.heise.de/tp/artikel/35/35389/1.html

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