D: „Die Freiheit“ auf NRW-Kurs

Posted on 15. Dezember 2010 von


Düsseldorf – „Die meisten Mitglieder unserer Partei in absoluten Zahlen haben wir in NRW“ verkündete der Parteiführer Rene Stadtkewitz auf der ersten Veranstaltung der rechtskonservativen und muslimfeindlichen Partei „Die Freiheit“ am Montagabend in Düsseldorf. Um die hundert Teilnehmer lauschten im angemieteten Saal des Air Hotels Wartburg den Reden der Parteispitze. Stolz berichtete der Ex-CDU-Politiker von seiner gerade abgeschlossenen Reise nach Israel, zu der er von dem rechtsnationalen ehemaligen Knessetabgeordneten Eliezer Cohen eingeladen worden war.

Zusammen mit den dort ebenfalls anwesenden Rechtsaußenpolitikern Heinz Christian Strache von der FPÖ (Österreich), Filip Dewinter vom „Vlaams Belang“ (Belgien) und Kent Ekeroth von den „Schwedendemokraten“ (Schweden) unterzeichnete er die sogenannte „Jerusalemer Erklärung“, in der in muslimfeindlicher Tonlage der Kampf „für die westlich-demokratische Wertegemeinschaft“ und gegen „kulturellen Relativismus“ gefordert wird.

Der Sinn der angeblichen Abkehr vom Antisemitismus im neuen rechten Lager und die Hinwendung zum Kulturrassismus erschloss sich in dem Redebeitrag vom Parteivize Marc Doll: Nach ausführlichen demografischen Erläuterungen der Notwendigkeit von Fortpflanzungsquotientensteigerung „zum Volkserhalt“ mit Verweisen auf Sarrazin forderte der Ex-CDUler die Errichtung einer „Leitkultur“ und beklagte den angeblich immer noch in Deutschland herrschenden „Schuldkult“, der den „gesunden Patriotismus“ unterbinde. Mit ausdrücklichem Verweis darauf, dass „unsere israelischen Freunde das auch so sehen“, versuchte er seine Positionierungen moralisch zu unterfüttern. Zugleich wurde versucht, sich vom Stigma des Rechtsextremismus abzugrenzen. So forderte Doll mit Blick ins Publikum mögliche Parteimitglieder der NPD oder der Pro-Bewegung auf, den Raum zu verlassen: „Wir wollen keine Mitglieder von Parteien, die im Verfassungsschutzbericht aufgeführt werden!“

Innerrechte Kampfansage

Solcherlei Hinweise auf Verfassungsschutzberichte sind als unverhohlene Kampfansage gegenüber den innerrechten Konkurrenten „pro NRW“ und „pro Deutschland“ zu verstehen. Denn die „Pro-Bewegung“ war die erste Formation der extremen Rechten in Deutschland, die auf dem Ticket des antimuslimischen Kulturrassismus den Sprung von Rechtsaußen hinein in die politische Mitte angestrebt hat – ihren juristischen Kampf gegen ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht bislang aber verloren hat.

Unter dem Label „pro Deutschland/Berlin“ will diese Gruppierung auch in Berlin zu den Wahlen im Abgeordnetenhaus antreten und steht damit in direkter Konkurrenz zur später gegründeten „Freiheit“. Versuche, Stadtkewitz für die Pro-Bewegung zu gewinnen, scheiterten. Stattdessen versucht „Die Freiheit“ augenscheinlich, die antimuslimisch-rechtspopulistische Kampagnenform der „Pro-Bewegung“ zu kopieren und auch in deren Unterstützergefilden zu wildern.

Beide Parteien ringen miteinander zudem um die Gunst der parteiungebundenen muslimfeindlichen Blogs und Bewegungen, welche die diffuse Allianz der Muslimfeinde in Deutschland repräsentieren: „Politically incorrect“ als landesweit größtes muslimfeindliches Internetportal mit offen rassistischer Stoßrichtung beispielsweise war längere Zeit inoffizielles Sprachrohr der „Pro-Bewegung“. Dessen Mitbegründer Stefan Herre, auch anwesend bei der Veranstaltung in Düsseldorf, scheint nun einen klaren Kurswechsel hin zur „Freiheit“ vollzogen zu haben, was sich auch in der Berichterstattung des PI-Blogs widerspiegelt.

Ebenfalls anwesend war die Fraktionsvorsitzende der Wählerinitiative „WIR“ Recklinghausen, Claudia Ludwig, die sich positiv zum geplanten Wahlantritt der „Freiheit“ in NRW äußerte. Ebenso wie Stadtkewitz selbst ist Ludwig wie auch die „WIR“-Struktur eingebunden in das antimuslimische Netzwerk „Pax Europa“, von dem auch weitere Mitglieder aus NRW der Veranstaltung beiwohnten.

Stadtkewitz machte deutlich, dass „Die Freiheit“ bundesweit aufzutreten gedenke und dazu auch offen für politische Allianzen sei. So wies er positiv darauf hin, dass ein Vertreter der Bremer Gruppierung „Bürger in Wut“ der Veranstaltung beiwohne und dass in Hessen auch gute Kontakte ins Lager der FDP bestünden. Auch international wurden Duftnoten gesetzt, indem Stadtkewitz die „positiven Äußerungen“ des österreichischen FPÖ-Politikers H.C. Strache zu Israel lobte, was ebenfalls als deutlicher Affront gegenüber der „Pro-Bewegung“ gedeutet werden kann. Denn bislang brüstete sich die Kölner Konkurrenzpartei mit ihren „exzellenten Kontakten“ zur FPÖ wie zum „Vlaams Belang“. Nun blieb der „Pro-Bewegung“ – gemeinsam mit den REP – lediglich die Verkündung der nachträglichen „Unterstützung“ der oben erwähnten „Jerusalemer Erklärung“. Die offene Kampfansage gegenüber der „Pro“-Konkurrenz vollzog Stadtkewitz mit der Ankündigung potenzieller Veranstaltungsorte im nächsten Jahr: Recklinghausen, Münster und – Köln.

Drohende Konflikte in der CDU?

Politische Brisanz erhielt die Düsseldorfer Veranstaltung durch die Anwesenheit der Kölner Schauspielerin Sema Meray, die durch Rollen in der „Lindenstraße“ wie auch im „Tatort“ bekannt geworden ist. Meray ist zudem medial durch harsche Forderungen zur Integration und Verurteilungen des „Gutmenschentums“ in Erscheinung getreten. Politisch ist sie zudem als stellvertretende Vorsitzende des Ortsverbandes 11 Innenstadt-Mitte der CDU in Köln in Erscheinung getreten, bekundete jedoch schon nach kurzer Zeit ihr Missfallen zum Integrationskurs der CDU.

Ihr Statement bei der Veranstaltung zu Integrationsproblemen wurde frenetisch beklatscht, und Stadtkewitz lobte ihre politischen Positionierungen. Danach deutete er augenzwinkernd eine ‚Vertiefung’ eines solchen Austausches an und erwähnte ein paar Sätze später wiederum Köln als bald möglichen Veranstaltungsort für ein Treffen der „Freiheit“. Nicht nur die „Pro-Bewegung“ dürfte eine solche Veranstaltung als Wurf des Fehdehandschuhs deuten: Auch in der Kölner CDU hat die Auseinandersetzung um Moscheebau und Islam zu herben Auseinandersetzungen und gar Übertritten zur „Pro-Bewegung“ geführt. Sollte nun im nächsten Jahr der Auftritt einer weiteren rechtspopulistischen und muslimfeindlichen Partei in der Domstadt Wirklichkeit werden, dürften auch dem rechtskonservativen Block nicht nur in Köln unruhige Zeiten bevorstehen. (A.H.)