W: Haftstrafen nach Flohmarkt-Überfall

Posted on 17. März 2013 von


WUPPERTAL – Am 15. März endete vor dem Amtsgericht Wuppertal der Prozess gegen die vier Wuppertaler Neonazis Matthias Drewer, Rene Heuke, Michele Dasberg und Mike Dasberg. Die Angeklagten wurden zu Haftstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten bzw. zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie am 25.September 2011 an einem brutalen Überfall auf eine Gruppe linker FlohmarktbesucherInnen in Wuppertal-Vohwinkel beteiligt waren. Eine größere Gruppe mit Holzknüppeln bewaffneter Neonazis schlug in der Nähe einer damaligen Neonazi-Wohngemeinschaft in der Kaiserstraße auf mehrere Menschen ein und verletzte diese teils schwer.

Haftstrafen für die Angeklagten

Matthias Drewer, der zurzeit eine Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in der JVA Wuppertal-Ronsdorf absitzt, wurde zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mehrere ZeugInnen hatten ihn identifiziert und übereinstimmend geschildert, dass er eine der Betroffenen mehrfach mit einem Holzstock auf den Kopf geschlagen hatte. Drewer, zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt, wurde nicht mehr nach Jugendstrafrecht verurteilt, weil er sich „verselbstständigt“ habe und die Tat keine „jugendtypischen Züge“ aufweise.
Rene Heuke, in dessen Wohnung in der Kaiserstraße sich die flüchtenden Neonazis nach ZeugInnenaussagen zurückzogen, erhielt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten, ebenso die Brüder Michele und Mike Dasberg. Bis auf Michele Dasberg, der einen Faustschlag zugab, machte keiner der Angeklagten eine Einlassung. Gegen alle vier einschlägig vorbestraften Angeklagten liefen zum Tatzeitpunkt noch offene Bewährungen. Bei der Bemessung des Strafmaßes war für das Gericht die „erhebliche Brutalität“ des Überfalls ausschlaggebend. Aufgrund der gezielten Schläge auf die Köpfe der Betroffenen sei es nur dem Zufall zu verdanken, dass es keine schwereren Verletzungen gegeben habe. Zudem seien sogar verletzte und flüchtende Personen weiter attackiert worden. Die Tat zeuge daher von einer „erheblichen Menschenverachtung“, so die Richterin.

Verzögerungstaktik und Bedrohungsszenario

Die Beweisaufnahme im Prozess war geprägt von der Verzögerungstaktik der Verteidigung. Diese gipfelte immer wieder in teils ebenso kontroversen wie konfusen ZeugInnenbefragungen und Beweisanträgen. Dabei taten sich besonders die von der regionalen Neonazi-Szene geschätzten Rechtsanwälte André Picker (Dortmund) und Jochen Lober (Köln) hervor. In ihren Plädoyers versuchte die Verteidigung mehrfach, den Prozess zu politisieren. Picker sprach zudem von einer Medienkampagne, in der die Rechten immer zu Bösen gemacht würden, und stellte in diesem Zusammenhang in den Raum, dass die Linken „die Niederlage von ’33 vielleicht noch nicht verarbeitet“ hätten.
An allen Verhandlungstagen wurden die Angeklagten von zehn bis fünfzehn KameradInnen aus Wuppertal und dem nahen Umland unterstützt. Diese versuchten immer wieder ein Bedrohungsszenario aufzubauen und somit Einfluss auf ZeugInnen, Betroffene und ProzessbeobachterInnen zu nehmen: Rempeleien, Beleidigungen und auch offene Drohungen waren keine Seltenheit. Umso erstaunlicher, dass das Gericht erst zur Urteilsverkündung Maßnahmen zum Schutz der ZeugInnen und Betroffenen ergriff und den Saal von Bereitschaftspolizei bewachen ließ.

Neonazi-Aktivitäten in Wuppertal nehmen wieder zu

Nach der Urteilsverkündung hielten am Freitag nach Polizeiangaben etwa 50 Neonazis eine Kundgebung in Wuppertal-Unterbarmen ab. Abzuwarten bleibt, welche Auswirkung das noch nicht rechtskräftige Urteil auf die in letzter Zeit wieder aktiver werdende Wuppertaler Neonazi-Szene hat. Diese trat im Februar und März durch vermehrte Sprühereien und Sachbeschädigungen in Erscheinung. Seit Anfang 2013 treten die ehemaligen „Nationalen Sozialisten Wuppertal“ als Kreisverband der Möchtegernpartei „Die Rechte“ auf.  Als Parteimitglieder  gaben sich bisher neben dem derzeitig inhaftierten Kreisvorsitzenden Matthias Drewer noch die Wuppertaler Neonazis Daniel Borchert, Lukas Bals und Dennis Kristmann öffentlich zu erkennen.

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