AACHEN/DÜREN – Eine Haftstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, wurde gegen einen Neonazi aus Düren zu Recht verhängt. Dies entschied das Landgericht Aachen in der vorigen Woche – und verwarf die Berufung, die der 45-Jährige gegen ein Urteil des Amtsgerichts Eschweiler vom Juni 2010 eingelegt hatte. Die Kosten des Verfahrens muss der nun Verurteilte tragen.
In der Sache war der Vorwurf unstrittig: Der Angeklagte hatte am 5. April 2008 an einer Neonazi-Demonstration in Stolberg (Städteregion Aachen) teilgenommen und dabei die Parole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!“ gegrölt. Die Tat wurde von der Polizei auf Video dokumentiert. Der aggressive Aufmarsch, der wenige Stunden nach der Tötung eines 19-Jährigen im Verlaufe eines eskalierenden Streites unter Jugendlichen stattfand, legte den Grundstein für den „Mythos Stolberg“. Seitdem instrumentalisieren Neonazis, vorwiegend aus dem Spektrum der militanten „Kameradschaften“, die Tat für ihre rassistische Propaganda und marschieren regelmäßig im April in der Kupferstadt auf.
Erinnerungsfoto
Eine Woche nach der Tat erkannten Beamte den Mann während eines weiteren Neonazi-Aufmarsches in Stolberg wieder und erstatteten Anzeige. Unterwegs war er in einem T-Shirt der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL).
Der gelernte Gebäudereiniger räumte vor Gericht ein, die Parole gerufen zu haben, und berief sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung. In die Neonazi-Szene sei er „durch Bekannte reingeraten“, gab er zu Protokoll. Mit diesen Kreisen wollte er unterdessen nichts mehr zu tun haben. Eine Schutzbehauptung: Erst zwei Tage vor der Verhandlung posierte er gemeinsam mit dem Pulheimer Neonazi Axel Reitz, dem ehemaligen Dürener NPD-Kreisvorsitzenden Ingo Haller und KAL-„Kameradschaftsführer“ Rene Laube für ein „Erinnerungsfoto“, nachdem er mit etwa 20 Gesinnungsgenossen an einer vom „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ in Hürtgenwald-Vossenack (Kreis Düren) ausgerichteten Veranstaltung zum „Volkstrauertag“ teilgenommen hatte.
30 Einträge im Strafregister
Das Gericht folgte der Argumentation der Staatsanwaltschaft: Die aggressiv geäußerte Parole sei durchaus geeignet, zu Hass gegen Teile der Bevölkerung – namentlich der Menschen mit Migrationshintergrund im Stolberger Stadtteil Mühle – aufzustacheln. Folglich sei die Parole nicht mehr durch die Meinungsfreiheit gedeckt.
Für die Urteilsfindung spielte auch die erhebliche Vorbelastung des Verurteilten eine Rolle. 30 Einträge weist sein Strafregisterauszug auf. Seit Anfang der 1980er Jahre bis zur Jahrtausendwende ist er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten – etwa wegen wiederholten Fahrens unter Alkoholeinfluss ohne Führerschein oder Körperverletzung. (dc)
Posted on 21. November 2011 von redax1