Dortmund/Witten – Ein Dortmunder Ex-Neonazi stolperte über seine Vergangenheit – weil er es vorzog, sie zu verschweigen.
Philosophie, Literatur, Geschichte und Psychologie hat L. studiert. 2007 nahm er seine Arbeit als Lehrbeauftragter und wissenschaftlicher Assistent am Philosophischen Seminar der Uni Zürich auf. Damit ist inzwischen Schluss. Unter anderem wegen eines „gestörten Vertrauensverhältnisses“ wurde sein Ende 2010 auslaufender Vertrag nicht verlängert.
Der heute 34-Jährige hatte ein Detail seiner Biographie unterschlagen: In jungen Jahren war er im Raum Dortmund/Witten für zwei Neonazigruppen unterwegs – die „Nationale Offensive“ (NO) und die „Deutschen Nationalisten“ (DN). Als hoffnungsvolle Nachwuchskraft der Neonazis in und um Dortmund beteiligte er sich führend an der Gründung eines nordrhein-westfälischen Landesverbands der DN– einer Organisation, in der sich Mitglieder von illegalen oder zuvor verbotenen Neonazigruppen tummelten.
Mitte und Ende der 90er Jahre stand er zudem wegen seines Engagements in der NO in Dortmund vor Gericht, angeklagt wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Zum „inneren Kreis“ der Truppe habe er gehört, meinte die Staatsanwaltschaft. Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof sahen dies ganz ähnlich. Das Dortmunder Landgericht aber mochte nach vier Jahren juristischer Auseinandersetzungen die insgesamt sechs Angeklagten nicht wegen der Bildung einer solchen Vereinigung verurteilen, sondern nur wegen einzelner Taten. Der Kauf von Sprengstoff und Munition gehörte dazu, die Schändung eines jüdischen Friedhofs, eine versuchte Brandstiftung und diverse Sprüh- und Schmieraktionen.
Letzteres war L.’s damaliges Metier. Hakenkreuze hinterließ er auf Wänden oder Sprüche wie „Deutschland uns Deutschen“. Mit 100 Sozialstunden kam er am Ende davon, da er zur Tatzeit noch minderjährig gewesen war. Die Westfälische Rundschau kritisierte seinerzeit die Richter, „weil sie mit halbherzigen Mahnungen wie ,So etwas tut man nicht’ ausländerfeindliche Straftaten und Entehrungen des jüdischen Volkes wieder einmal in den Bereich von ,Dumme-Jungen-Streichen’“ gerückt hätten.
Vom braunen Vorleben ihres Mitarbeiters wussten bis vor kurzem weder die Zürcher Universitätsleitung noch seine direkte Vorgesetzte, die Philosophieprofessorin Katia Saporiti – bis andere Uni-Mitarbeiter sowie Studenten L.’s Vergangenheit genauer unter die Lupe nahmen. „Ich habe mich noch im Jahre 1994 aus der Neonaziszene zurückgezogen“, versichert L.. Verschwiegen habe er diesen Teil seiner Vergangenheit, weil er mit seiner Tätigkeit in der Philosophie nichts zu tun habe. Sein langes Schweigen bremste seine universitäre Karriere nun erst einmal aus. (ts)
Posted on 24. Februar 2011 von redax1