Nebenbei: Wenn aus „pro NRW“ „pro Preußen“ wird

Posted on 22. Januar 2011 von


Berlin/Detmold – Ob Patrik Brinkmanns Portemonnaie tatsächlich so prall gefüllt ist, wie dies Vertreter der extremen Rechten in der Bundesrepublik seit Jahren glauben (wollen), wenn sie darauf spekulieren, der schwedische Unternehmer werde seine Geldbörse für sie ganz weit öffnen, ist nicht bekannt. Bekannt ist hingegen, dass Brinkmann immer wieder für einen Gag gut ist.

Das gilt zumal in Wahlkampfzeiten. Im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf vor einem Dreivierteljahr kam er beispielsweise auf die Idee, für „pro NRW“ das Feld der parteipolitischen Konkurrenz mit einer Bustournee durchs Land gleichsam von hinten aufzurollen: von der (Vorsicht: symbolträchtig) Porta Westfalica im Nordosten des Bundeslands bis (Vorsicht: extrem symbolträchtig) vor die Tore des Landtags in Düsseldorf. Bei jener von ihm als „Kreuzzug“ angekündigten Tour durch NRW entwickelte der Schwede das wortlose Schwenken der Bibel gar zur Wahlkampfwunderwaffe. Geholfen hat es am Ende freilich nicht viel. „Pro NRW“ kam nur auf 1,4 Prozent – was vielleicht aber auch daran gelegen haben mag, dass es seinerzeit eine schwedische Bibel war, die er gen Himmel reckte.

Gut möglich, dass man Patrik Brinkmann in den nächsten Wochen nicht das Wort Gottes, sondern eine Landkarte wird schwenken sehen. Denn er hat eine neue Idee, die diesmal „pro Deutschland“ im Wahlkampf für das Berliner Abgeordnetenhaus über die fünf Prozent hieven soll: Preußen. Preußen soll es richten. Dabei geht es ihm nicht nur um die „preußischen Tugenden“, als da wären (in der Reihenfolge von „pro Deutschland“): Sparsamkeit, Pünktlichkeit, Fleiß, Unbestechlichkeit, ein Sinn für Ordnung, aber auch Geistesfreiheit. Nein, Brinkmann, der künftige Berliner Landesvorsitzende von „pro D“, will mehr, weil man, wie er ahnt, mit Preußen „auch im 21. Jahrhundert noch die Herzen bewegt“.

„Ganz praktisch“ ergibt sich aus dem „Rückbezug zu Preußen“ zum Beispiel im Brinkmannschen O-Ton: „Wir fordern, das Gesetz Nr. 46, die die ehemaligen Besatzungsmächte in Berlin am 25.2.1947 beschlossen haben, außer Kraft zu setzen. Das Gesetz, das bis zum heutigen Tage in Kraft ist, schafft Preußen als Bundesstaat nebst sämtlichen zugehörigen Regierungsorganen vollkommen ab.“ Preußen müsse aber im 21. Jahrhundert wieder „eine neue Chance haben“. Und weil es Brinkmann, der inzwischen auch als Wahlkampfleiter von „pro D“ fungiert, nicht bei papiernen Forderungen belassen kann, kündigte er gleich noch eine Mahnwache am 25. Februar an, „um an die vorläufige Unterbrechung des preußischen Staates zu erinnern“.

Und „pro NRW“? Erstaunlich neutral referieren die Rechtspopulisten vom Rhein Brinkmanns Preußen-Rückbesinnung. Er habe „einen neuen Akzent in die Diskussion gebracht“, liest man ein wenig distanziert bei „pro NRW“, wo ansonsten zumeist von „fulminanten“ oder „wegweisenden“ Botschaften die Rede ist. Aber wer, der knapp bei Kasse ist, widerspricht schon öffentlich dem reichen Erbonkel, der einem gerade wieder seine Gunst erweist – mag der auch noch so großen Unsinn delirieren? Ihm zu sagen, dass er eine Schnaps- oder – im speziellen skandinavischen Fall – eine Aquavit-Idee hatte, würde umgehend Liebesentzug und die Stornierung von Daueraufträgen zur Folge haben.

Womöglich steckt aber noch eine andere Sorge hinter der Zurückhaltung der Beisichts, Wieners, Wolters. So genau hat Brinkmann nämlich nicht definiert, wie weit sein neu-altes Traumland geografisch reichen soll. Bis 1945 beziehungsweise 1946 gehörten schließlich auch die Rheinprovinz und Westfalen zu Preußen. Hätte Brinkmann ein solches Groß-Preußen im Blick, bliebe nur die Umbenennung von „pro NRW“ zu „pro Preußen“ – oder aber für rheinländische Gegner eines solchen Zentralismus das Exil im Lipper Land. Das bildete immerhin einen eigenständigen Freistaat – geografisch zwar mittendrin, aber juristisch doch außerhalb von Preußens. (rr)

Posted in: Allgemeines, Nebenbei